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„Die fachlichen Heraus­forderungen lassen sich nur durch Zusammen­führen der Expertise optimal lösen.“

Prof. Dr. Gerhard Adrian ist seit Mitte 2010 Präsident des Deutschen Wetterdienstes und vertritt seither außerdem die Interessen der Bundesrepublik Deutschland und des DWD im Exekutivrat der Weltorganisation für Meteorologie (WMO), einer UN-Organisation in Genf. Zuvor leitete der Meteorologe den Geschäftsbereichs Forschung und Entwicklung des DWD und wurde 2006 zum Vizepräsidenten ernannt. Vor seiner Karriere beim DWD übernahm Gerhard Adrian zwei Vertretungsprofessuren in Karlsruhe und Mainz. Seit 2003 ist er zudem außerplanmäßiger Professor für Meteorologie an der Universität Karlsruhe. Von 2019 bis 2023 war er erster deutscher Präsident der WMO.

Vergangenes Jahr feierte der Deutsche Wetterdienst (DWD) sein 70-jähriges Jubiläum. 2023 ist die BfG dran und begeht ihren 75. Geburtstag. Welche Parallelen sehen Sie bei beiden Ressortforschungseinrichtungen?

Nach Gründung der Bundesrepublik wurden DWD und BfG als Behörden im Geschäftsbereich des Verkehrsministeriums gegründet und nach der Wiedervereinigung mit den Fachbehörden der DDR zusammengeführt. Während der zurückliegenden Jahrzehnte hat die Bedeutung einiger Themen stark zugenommen, von denen DWD und BfG gleichermaßen betroffen sind. Dazu gehört der inzwischen deutlich wahrnehmbare Klimawandel und die damit zunehmende Bedeutung der Politikberatung.

Mit einem Augenzwinkern heißt es bei der BfG, sobald ein Wassertropfen den Boden berührt, sei es unsere Sache. Zweifelsohne profitieren beide Einrichtungen von dem Datenschatz des anderen. Wo liegen die Chancen dieser engen Kooperation?

Ja, der DWD kümmert sich um die Vorgänge in der Atmosphäre. Die Erfassung und Vorhersage des Niederschlags haben dabei besondere Priorität, um diese Informationen den Partnern in Bund und Ländern für die wasserwirtschaftlichen Anwendungen bereitzustellen. Für den bestmöglichen gesellschaftlichen Nutzen sucht der DWD die enge Zusammenarbeit mit den Partnern.

“Sowohl BfG als auch DWD verfügen über anerkannte Expertise für den jeweiligen Bereich, aber die fachlichen Herausforderungen im Wassersektor lassen sich nur durch Zusammenführen der Expertise optimal lösen.”

ProWas, KLIWAS und nicht zuletzt die gemeinsame Arbeit im Expertennetzwerk des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) – die Liste gemeinsamer Forschungsvorhaben ist lang. Welche Bedeutung hat die Kooperation von DWD und BfG für die Herausforderungen, die sich angesichts des Klimawandels stellen?

Um die Infrastruktur insbesondere im Wasserbereich angemessen an die Herausforderungen des Klimawandels anzupassen, ist eine langfristige Herangehensweise erforderlich. Bestmögliche Handlungsempfehlungen können nur entwickelt werden, wenn Expertise über die Grenzen der einzelnen Disziplinen hinweg zusammengeführt wird. Das ist den Forschenden unserer Behörden bereits in vielen Aktivitäten gelungen.

Die Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel und der DAS-Basisdienst „Klima und Wasser“ sind zwei Beispiele für die Leistungsfähigkeit der Ressortforschung des BMDV. Wie könnten DWD und BfG aus Ihrer Sicht die gemeinsame Politikberatung weiter ausbauen und welche Produkte sind denkbar?

Beim Thema Anpassung wurden gemeinsam bereits viele Ergebnisse erarbeitet. Es müssen aber auch verstärkt Anstrengungen in allen Bereichen zur Vermeidung des Klimawandels unternommen werden. Der DWD sieht aktuell auch steigenden Informationsbedarf aus dem Energiesektor. Die Ressortforschungseinrichtungen haben sich innerhalb des Expertennetzwerks bereits einzelnen Aspekten zur Nutzung erneuerbarer Energien in der Verkehrsinfrastruktur gewidmet. Hier scheint mir noch großes Potenzial für neue Ideen und den Ausbau unserer Kooperation zu bestehen.

Als Ständiger Vertreter Deutschlands in der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) sowie deren erster deutscher Präsident haben Sie in herausragender Rolle die operationelle Stärke der WMO zur Erdbeobachtung zu Klima, Wetter und Wasser befördert, u. a. mit einer neuen WMO-Datenpolitik (Open Data, Open Science). Die BfG unterstützt Sie dabei als nationaler hydrologischer Berater. Welche hydro-meteorologischen WMO-Systeme sollte Deutschland fachlich und finanziell über DWD, BfG und die Bundesländer für eine bessere Zielerreichung der UN-Agenda 2030 aktiv weiterbefördern?

Beide Institutionen haben internationale Aufgaben übernommen, mit denen sie wichtige Beiträge zum Verständnis globaler Umweltveränderungen leisten. Mit dem Weltzentrum für Niederschlagsklimatologie (GPCC) sammelt und verarbeitet der DWD weltweite Niederschlagsdaten zur Unterstützung der globalen Klimaüberwachung und in der BfG ist das Globale Abflussdatenzentrum (GRDC) angesiedelt. Gemeinsam können diese Einrichtungen daher also wichtige Informationen zu langfristigen Veränderungen im globalen Wasserkreislauf liefern.

Noch eine persönliche Frage: Welchen Wunsch würden Sie der BfG zu ihrem 75. Geburtstag gerne erfüllen, egal ob realistisch oder unrealistisch?

Ein zwischen den Fachleuten unserer beiden Behörden vielfach diskutierter Wunsch ist die Bereitstellung sogenannter korrigierter Niederschläge durch den DWD. Die BfG benötigt diese Daten zur Schließung der Wasserbilanz, da die stationsbasierte Messung der Niederschlagsmenge mit den klassischen Messtöpfen einen systematischen Fehler mit sich bringt. Leider liegen dem DWD aber nicht immer alle notwendigen Zusatzinformationen zur optimalen Niederschlagskorrektur vor. Auch wenn es fachlich schwierig wird, möchten wir hier unbedingt weiter vorankommen.

Die Fragen stellte das Team der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der BfG.