Startseite > Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Christoph Heinzelmann

„Tür an Tür zu sitzen, bietet enorme Vorteile für die Zusammen­arbeit.“

Prof. Heinzelmann studierte Bauingenieurwesen an der TU Darmstadt. Nach der Promotion zum Dr.-Ing. am dortigen Institut für Wasserbau absolvierte er die Referendarausbildung bei der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes. Der anschließende Berufsweg führte ihn zunächst zum Wasserstraßen-Neubauamt Aschaffenburg und später in das heutige Bundesministerium für Digitales und Verkehr, wo er acht Jahre lang in verschiedenen Positionen tätig war. Seit dem Jahr 2005 ist Prof. Heinzelmann Leiter der Bundesanstalt für Wasserbau. Er ist Honorarprofessor für Verkehrswasserbau an der TU München und Ehrendoktor an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.

75 Jahre BfG sind eine lange Zeit. Einen Großteil dieses Weges gingen die Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) und BfG gemeinsam. Lässt sich herausfinden, welches das erste gemeinsame Projekt von BAW und BfG war?

Der Abschluss des ersten gemeinsamen Projekts datiert auf das Jahr 1953. Es handelt sich um Modellversuche der BAW im Auftrag der BfG und findet Erwähnung in: Canisius, Peter (1955): Die Bundesanstalt für Wasserbau. Ein Rückblick auf ihre Entwicklung 1948 -1955. In: Mitteilungsblatt der Bundesanstalt für Wasserbau 5. Karlsruhe: Bundesanstalt für Wasserbau. S. 1-31. Darin heißt es wörtlich: „Ein außergewöhnlicher Versuch betraf die zweckmäßigste Aufstellung von Pegeln, ein Auftrag der Bundesanstalt für Gewässerkunde, dessen umfangreiches Ergebnis insbesondere von vielen Stellen der Wasserwirtschaftsverwaltungen angefordert ist und eine allgemeine Grundlage für die Einrichtung von Pegelanlagen darstellt.“

Können Sie sich erinnern, in welchem Kontext Sie persönlich die BfG das erste Mal wahrgenommen haben?

Mein erster persönliche Kontakt mit der BfG liegt bald vierzig Jahre zurück. Damals hatten wir von der TU Darmstadt einen Forschungsantrag an die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gestellt, der sich mit der biogenen Verfestigung natürlicher Flusssohlen beschäftigen sollte. Dieses Thema – an der Schnittstelle zwischen Wasserbau und Biologie – war neu und die angestrebte Zusammenarbeit der beiden Fachdisziplinen noch nicht üblich. Um sich ein vertieftes Bild über die Relevanz des Themas und die Umsetzbarkeit des Forschungsvorhabens zu machen, organisierte die DFG ein Gespräch in der BfG. Wir Darmstädter bekamen die Gelegenheit, das geplante Vorhaben vorzustellen. Die anschließende Diskussion unterstützte unseren Plan, sodass das Vorhaben über sechs Jahre finanziell gefördert werden konnte. Dieses Forschungsvorhaben war die Grundlage meiner späteren Dissertation.

“Vor allem hat es mich gelehrt, wie wichtig interdisziplinäre Zusammenarbeit ist und dass die Zusammenarbeit über Fachgrenzen hinweg mitunter hohe Anforderungen an alle Beteiligten stellt.”

Für das Management der Bundeswasserstraßen stellt sich die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) vielen Herausforderungen, zu denen wir als BfG und BAW gemeinsam beraten. Wo liegen die Chancen dieser engen Kooperation?

Viele Herausforderungen der WSV an den Wasserstraßen haben technische und umweltbezogene Implikationen. In der gemeinsamen Beratung bieten BAW und BfG die Möglichkeit, diesen Herausforderungen ganzheitlich zu begegnen. Prominente Beispiele hierfür sind die Anpassung der Wasserstraßen an den Klimawandel, die Wiederherstellung der ökologischen Durchgängigkeit an den staugeregelten Wasserstraßen oder die naturnahe Gestaltung von Ufersicherungen.

Im Expertennetzwerk des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) sind BAW und BfG gemeinsam mit anderen Ressortforschungseinrichtungen eng vernetzt. Welche Bedeutung hat diese Kooperation für die Herausforderungen, die sich uns allen angesichts der künftigen Entwicklung der Fließgewässer stellen?

Welche Folgen schon heute mit dem Klimawandel in Deutschland verbunden sind, zeigen die Naturereignisse der letzten Jahre, wie z. B. die Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen im Sommer 2021 oder die monatelang anhaltende Trockenheit im Jahr 2018, die die Schifffahrt auf dem Rhein nahezu zum Erliegen gebracht hat. Beide Ereignisse lassen erahnen, welche Folgen zu erwarten sind, wenn sich meteorologische Extremereignisse in Zukunft intensivieren und häufen werden. Rechtzeitig zielführende Anpassungsmaßnahmen zu entwickeln, wird nur durch interdisziplinäre Forschung gelingen. Hierfür bietet der Verbund im BMDV-Expertennetzwerk die notwendigen Rahmenbedingungen.

Seit 2022 verstärken wir unsere Zusammenarbeit an der Küste, indem BfG- und BAW-Kolleginnen und -Kollegen am Hamburger Standort der Bundesanstalt für Wasserbau vor Ort sind. Welche Vorteile sehen Sie durch diese regionale Nähe?

Tür an Tür zu sitzen, bietet enorme Vorteile für die Zusammenarbeit. Insofern sind wir froh, dass die ersten vier Kolleginnen und Kollegen der BfG an unserem Standort in Hamburg-Rissen angekommen sind. Ich bin überzeugt, dass dies unsere Zusammenarbeit bei den Küstenthemen intensivieren und beschleunigen wird.

Noch eine persönliche Frage: Welchen Wunsch würden Sie der Bundesanstalt für Gewässerkunde zu ihrem 75. Geburtstag gerne erfüllen, egal ob realistisch oder unrealistisch?

Gute wissenschaftliche Leistungen setzen moderne bauliche Infrastruktur voraus. Ich wünsche der BfG, dass die geplanten Investitionen in ihre Infrastruktur nunmehr zügig realisiert werden.

Die Fragen stellte das Team der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der BfG.